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Warum ich lieber einen weiten Bogen um Eventagenturen mache

14.11.2024

Es gibt Dinge im Leben, mit denen komme ich einfach nicht auf einen grünen Zweig. Auch beim x. Anlauf nicht. DEUTSCHE Schlagermusik, TikTok und die inflationäre Verwendung von Anglizismen, um ein paar zu nennen, sure? Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit Eventagenturen.

Wenn es nach mir geht, dann gehört zu einer guten Feier neben den üblichen FSM (Fressen, Saufen, Mukke) eine deftige Portion Spontanität und eine Prise Humor. Bei einer Zusammenarbeit mit Eventagenturen sind vor allem die letzten beiden Zutaten kategorisch ausgeschlossen. Das liegt wohl in der Natur der Sache selbst. Oder sagen wir besser: In der Natur von Eventagenturen.

Ich will nicht sagen, dass Eventagenturen böse sind. Nein, das sicher nicht. Sie kümmern sich schließlich um viele wichtige Dinge und möchten einen reibungslosen Ablauf sicherstellen. Aber manchmal fühlt sich ein von einer Eventagentur durchgeführtes Event an, als ob man ein auswendig gelerntes Gedicht vortragen muss. Wie in der Schule vor der Tafel. Perfekt auf den Punkt, jedes Wort inklusive Betonung muss sitzen. Nur um dann festzustellen, dass die Hälfte des Publikums schläft. Wenn es doch wenigstens mal ein gutes Gedicht wäre …

Ich denke, nachdem es nun schon etwas her ist mit meinem Artikel über Food Truck Festivals, ist es mal wieder an der Zeit, abzuledern.

Weißt du, dass ich nach dem Abitur eigentlich Eventmanager werden wollte? 

Ist tatsächlich so. Das einzige, was mich damals davon abhielt, war die Tatsache, dass man den Studiengang Eventmanagement nicht an einer "normalen" Uni studieren konnte. Mit normal meine ich nicht, dass viele Universitäten einfach weltfremd und mit ihren Strukturen und Lehrplänen gefühlt noch immer im letzten Jahrtausend unterwegs sind. Damit meine ich, dass man dieses Studium nur an einer privaten Hochschule hätte machen können. Zumindest zum damaligen Zeitpunkt. Und das hätte mich  zu viele Monetas gekostet. Einige Tausender im Jahr, nur um zu studieren? Nein, danke.

Rückblickend betrachtet, bin ich froh darüber, es nicht gemacht zu haben und auf der anderen Seite der Eventwelt zu sitzen. Also auf der Seite der Dienstleister.

Selbstverständlich möchte ich nicht alle in der Eventorganisation tätigen Menschen über einen Kamm scheren. Es soll auch diejenigen geben, die gute (Musik-)Festivals auf die Beine stellen. Aber ich bezweifle, dass das dieselben Personen sind, die auch Firmenevents organisieren. Das sind einfach zwei Welten. 

Festival-Eventmenschen = freie Marktwirtschaft

Firmen-Eventmenschen = Beamtentum & Spießbürgerschaft

Aber lass mich dir erklären, warum mir die Zusammenarbeit mit Eventagenturen so auf den Keks geht.

Geht nicht auf den Keks,
sondern auf die Überholspur

Perfektionismus-Wahn

Beginnen wir mit dem Streben nach Perfektionismus und sind damit gleich wieder an der Stelle der fehlenden Spontanität und Gelassenheit. Perfektionismus ist eine der Tugenden, die vor noch gar nicht mal so langer Zeit noch als erstrebenswert galt. In der Grundschule wurden wir bereits mit dem Fach "Schönschrift" dafür belohnt, wenn die Kringelchen in der Schreibschrift perfekt geschwungen waren. Glücklicherweise gibt es heutzutage dieses Fach nicht mehr. Als Teenager wurde uns ordentlich Druck auf dem Kessel gemacht, den "bestmöglichen" Abschluss mit den "bestmöglichen" Noten zu machen, um dann einen noch besseren Hochschulabschluss zu erlangen, der letztendlich in einem perfekten Job als Angestellter mündet. Wehe da, wenn man den Sinn- und Spaßgehalt dieses Weges hinterfragte. Es sollte einfach immer die Bilderbuch-"Karriere" sein, die von Generation zu Genreration weitervererbt wird.

In einer Welt der Eventagenturen gibt es kein Hinterfragen von sowieso überhaupt gar nichts. 

Da zählt nur eins: Perfektionismus nach Drehbuch

Richtig – für die Events selbst genügt kein einfacher Ablaufplan mit Puffer. Es benötigt ein minutengenau getaktetes Drehbuch. Das Absurde daran ist, dass dieses Drehbuch in 90 % der Fälle von der Realität zerworfen wird. Es existiert nur, um es auswendig zu lernen, auch wenn man es gar nicht braucht.

Spitze, Hacke, Tralala … um nichts

Die wahre Virtuosität der Eventagenturen entfaltet sich dann, wenn es um minutiöse Detailplanung geht. Sie haben diese Fähigkeit, selbst die kleinste Entscheidung mit der Bedeutung eines Staatsakts zu versehen.

Da man im Vorhinein mit Sicherheit noch nicht alles 92 Mal durchgekaut hat, gibt es vor dem Start jedes Events nochmal ein Briefing. Eigentlich steht das Wort „Briefing“ ja für eine KURZeinweisung.

Aber das, was auf den Events passiert, hat mit kurz gar nichts zu tun. Stell dir vor, der Eventmensch zückt das riesige, farbcodierte Ablaufdokument – sorgfältig aufgeteilt in Minuten und Sekunden – und beginnt, jeden einzelnen Schritt durchzugehen. Es wirkt fast, als stünde eine Apollo-Mission bevor. Aber es geht hier nicht um Leben und Tod. Auch ganz bestimmt nicht um die Landung auf dem Mond. Sondern darum, ob der Sektkühler nun links oder rechts vom DJ-Pult stehen soll.

Links oder rechts?

Links oder rechts!

Während also alle gebannt auf den Finger des Eventmenschen starren, der die Position auf der Skizze mit ernster Miene hin und her schiebt, dreht sich die Diskussion im Kreis.

Ist links vielleicht günstiger, weil der DJ-Rekorder dann weniger Kabelgewirr verursacht?

Oder doch rechts, weil dort das Licht etwas besser fällt?

Man spürt förmlich die Spannung in der Luft. Jeder weitere Eventmensch gibt seine Expertenmeinung dazu ab. Da das in der Regel zu keiner bahnbrechenden Lösung führt, schalten sich an einem gewissen Zeitpunkt auch einzelne Dienstleister in das Volksbegehren mit ein und tun ebenfalls ihre Meinung kund. Die Entscheidung muss sitzen! Die Hektik ist greifbar, alle stehen unter Druck, die perfekte Lösung zu finden. Denn gerade ist nichts sicherer, als dass das gesamte Event von der Position des Sektkühlers abhängt.

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ist keine Illusion

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Nach endlosen Minuten intensiver Überlegung fällt die Entscheidung dann doch irgendwie. Das erleichterte Aufatmen kann man fast über das Funkheadset hören.

Doch kaum sind die Gäste da, stellt sich heraus: Es war völlig egal.

Die Hälfte der Gäste hat ihren ersten Drink sowieso schon am Empfang verschüttet, der DJ ist zu laut und keiner beachtet die liebevoll erarbeitete Platzierung des Sektkühlers. Wenn das mal kein Beweis ist, dass Perfektion in der Eventwelt oft bloß eine Illusion ist.

Was uns Food Trucker anbelangt, so ist es eher selten der Sektkühler, der uns endlose Nerven kostet, sondern die per GPS-Koordination ausgefeilte Positionierung unseres Trucks. Ich habe noch kein einziges von einer Eventagentur durchgeführtes Event miterlebt, bei dem mein Food Truck nicht mindestens dreimal umpositioniert werden musste. Entweder stimmt der Winkel nicht. Oder es kommt noch „spontan“ ein weiterer Truck hinzu, der nicht genügend Platz hat (so viel zum Perfektionismus – konnte man nicht vorher wissen). Oder aber das Gesamtbild passt nicht und alle müssen sich nochmal komplett neu anordnen. Vielleicht reicht aber auch die Stromkapazität an der Stelle nicht (konnte man auch nicht vorher wissen). Oder, oder, oder …

Besonders spaßig wird es, wenn man zwischen den Umpositionierungen bereits ausgepackt hat.

Auf jeden Fall kann es nichts mit Schikane zu tun haben.

Mein Unwort des Jahres: Standby

Standby. Allein durch das Wort entsteht bei mir ein leichter, unfreiwilliger Augen-Tick. Denn in der Eventbranche bedeutet Standby nicht einfach nur Warten. Es ist eine Art verordnete Zen-Meditation, nur mit dem zusätzlichen Auftrag, dabei professionell beschäftigt auszusehen.

Man steht also bereit, für alles gewappnet. Selbst Angy M. samt Bodyguard-Trupp und SEK  könnte im nächsten Moment vor deinem Truck stehen, um dir das Essen aus der Hand zu reißen.

Aber natürlich treten Fälle wie dieser nie ein.

Dennoch gilt: immer freundlich lächeln und weiter abwarten – unauffällig, aber präsent. Wie ein menschliches Stillleben.

Standby ist keine gewöhnliche Pause. Nein, es ist eine Disziplin. Eine fast schon künstlerische Balance zwischen Aktion und Inexistenz. Dein Job? Du sollst irgendwie da sein, ohne tatsächlich zu viel Raum einzunehmen oder unnötig aufzufallen. Steh einfach da, elegant, als wärst du gerade dem Katalog eines Modehauses für Event-Accessoires entsprungen, aber bitte – sei unsichtbar. Keine hektischen Bewegungen, keine echten Aufgaben, nur die Illusion von Arbeit.

Im besten Fall gelingt es dir dann noch, ein Lächeln aufrechtzuerhalten, das wie angewachsen wirkt. Doch kannst du dieses Lächeln auch stundenlang halten, wenn nichts los ist? Zwischendurch schaust du dich interessiert in deinem Truck um, prüfst hier ein imaginäres Kabel, tust dort so, als würdest du einem unsichtbaren Punkt auf dem Boden große Aufmerksamkeit widmen. Und es gibt Events, bei denen nimmt der Standby-Modus mehr als die Hälfte der eigentlichen Eventzeit ein.

Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon den Satz "Tu einfach so, als würdest du gerade etwas machen!" von einem Eventmenschen als Befehl an das Bedienpersonal gehört habe.

Warten auf Godot – oder den Stromanschluss

Der Startschuss für das Event fällt offiziell um 15:00 Uhr? Fantastisch! Dann sei bitte um Punkt 9:00 Uhr am Veranstaltungsort.

Warum so früh? Weil Eventagenturen ein Talent dafür haben, die Uhrzeit so großzügig auszulegen, dass man am Ende mehr Zeit im Standby-Modus verbringt als tatsächlich aktiv.

Die ersten Stunden des Wartens nutzt du dann am besten als "Warm-up“ für das eigentliche Event. Sozusagen dein persönliches Standby-Training. Die ersten 60 Minuten vergehen mit dem Warten auf alle weiteren Food Trucks. Die zweiten 60 Minuten werden mit der Millimeter-genauen Positionierung verbracht. In der dritten Stunde werden Stromleitungen verlegt – nein, nicht unterirdisch durch die Stadtwerke (was womöglich auch nicht länger dauern würde), sondern ein handlicher Verteilerkasten wird angerollt und per Plug&Play angeschlossen. Alles in allem drei Stunden, die man auch in 30 Minuten hätte abhandeln können.

Und dann erst kannst du irgendwann loslegen. Doof nur, dass du eigentlich immer noch viel zu früh dran bist, wenn es erst um 15:00 Uhr Essen geben soll. Wenn dir die Probleme der anderen Food Trucker und der Smalltalk auf den Keks gehen, nimm dir nächstes Mal am besten ein Buch mit und zieh dich zurück … Oder mach Netflix an.

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Aber der Höhepunkt kommt natürlich erst nach dem Event.

Klappe zu und los?

Nichts da! Das geht erst ab 22:00 Uhr, wenn auch der letzte Suffkopf das Gelände verlassen hat. Und das kann dauern. Vor allem, weil sich die letzten Gäste gerne an die letzten Portionen klammern wie Schiffbrüchige an ein Rettungsboot. Der Fressflash nach dem Suff lässt grüßen. Wenn du das Glück hast, dass du bereits vor Ende der Veranstaltung leergefegt wurdest, weißt du ja, was zu tun ist: Sei verdammt nochmal Standby! Solltest du mittlerweile ja beherrschen, oder?! Steh gefälligst da wie ein Soldat vor dem Buckingham Palace. Standhaft, regungslos und wachsam – allerdings mit dem Unterschied, dass dein Job kaum glamourös wirkt und dir keine Touristenscharen zujubeln, sondern sich allerhöchstens ein paar Betrunkene auf deine Ablage stützen, um dich mit sinnlosen Geschwafel zuzutexten.

Die geheime Elite

Einer der Punkte, die mich jedoch bei Eventmenschen am meisten stört ist, dass sie sich für die wichtigsten Menschen auf diesem Planeten halten (Im Übrigen nervt mich das nicht nur bei ihnen, sondern bei jedem Menschen, der so tut als wäre er unnahbar).

Ausgestattet mit Funkheadsets, als wären sie der Secret Service auf einer Mission, bewegen sie sich durch die Location wie Leibwächter bei einem G20-Gipfel.

Sie haben Codes, Pläne und Geheimwissen.

Jedenfalls tun sie so.

Sprichst du sie an und fragst nach etwas, begegnen sie dir selten mit Freundlichkeit und Verständnis als vielmehr mit Arroganz und Genervtheit. Sie müssen jetzt wegen dir ihren Funkspruch unterbrechen, um dir Laus eine lästige Frage zu beantworten. Wie kannst du es eigentlich wagen?! Das könnte die gesamte Mission gefährden!

Nach dem Event ist vor dem Event

Du hast es geschafft! Das Event ist vorbei, die Menschen sind glücklich (oder betrunken) nach Hause gegangen.

Du hast endlich deine Ruhe.

Bleibt nur noch, die Rechnung zu erstellen und abzuschicken. Aber bis du das Geld erhältst, wird durchaus Zeit verstreichen. Dafür haben sie einen besonderen Begriff: "Zahlungslauf".

So ein Zahlungslauf dauert erfahrungsgemäß zwischen 4 bis 8 Wochen. Manchmal auch drei Monate.

Was du in der Zeit machen kannst?

Schalte auf Standby!


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